Im Allee-Center gibt es diesen einen Raum, den nie jemand betritt, obwohl eine Tür hineinführt – und damit direkt unter die Fahrsteige, die das Erdgeschoss mit dem Untergeschoss verbinden. Es gibt ihn, weil diese Steige so schwer sind, dass sie schon seit Jahrzehnten auf einem diagonal verbauten Betonsockel liegen. Darunter verbirgt sich jene niedrige Fläche, die den Besucherinnen und Besuchern verborgen bleibt. Der Center-Umbau indes machte einen kurzen Blick hinein möglich. So ließen sich die neuen Fahrsteige von unten ebenso betrachten wie die Riesenschrauben, mit denen sie fixiert werden.
Für Heiko Lehrke ist das ein gewohnter Anblick. Der Technical Supervisor vom Unternehmen TK Elevator hat beim Aus- wie beim Einbau die Fäden in der Hand gehalten. Er weiß auch, wo sich der geheimnisvolle Raum verbirgt. Und er weiß, wie wichtig Flexibilität in seinem Job ist. Zwei Wochen lang haben er und das Team der Firma Ludwig Nacht für Nacht gearbeitet, ins Bett kam er oft erst nach dem Frühstück. Zuerst die alten Fahrsteige ausbauen, dann die neuen rein. Da wurden in Summe mal eben über 30 Tonnen bewegt. Und das nicht immer wie geplant.
Zum Beispiel am ersten Montag im April: Eigentlich sollten zuerst die beiden unteren Teile der neuen Fahrsteige angeliefert werden. Gekommen sind aber das linke Unter- und das rechte Oberteil. Und jetzt? Improvisieren. In Zentimeterarbeit wanderte das Unterteil in den Schacht, lag dort erst einmal in die Mitte, gehalten von einer speziellen, eigens aufgebauten Aufhängung. Das Oberteil wiederum wurde geparkt, mitten auf dem Rathausplatz, gut verpackt. Denn beim Fahrsteigeinbau gilt: Erst unten, dann oben, dann verbinden. Koppeln nennen das die Fachleute.
Einen Tag später: Es schüttet, und wie. Ausgerechnet jetzt, als Teil zwei der Lieferung ins Center gebracht werden soll. Also abwarten, ehe um kurz nach 21 Uhr das knapp viereinhalb Tonnen schwere zweite untere Teilstück der Fahrsteige per Gabelstapler und Rollensystem so vors Allee-Centers gefahren wird, dass es von dort zum Schacht gebracht werden kann. „Ursprünglich wollten wir einen anderen Weg wählen, aber die Strecke vorbei am Eiscafé und Saturn eignet sich am ehesten“, erklärt Heiko Lehrke. Apropos Saturn: Die dortigen Rolltreppen hat der Hamburger seinerzeit auch eingebaut. Damals sei es noch knapper gewesen mit dem Manövrieren als diesmal, erzählt er. Das kann man sich beim Zuschauen kaum vorstellen: Nur weniger Zentimeter vor der einen und maximal eine Handbreit neben der anderen Spiegelsäule kommt das riesige Bauteil zum Stehen, mit einer Art Riesenwagenheber wird es hochgebockt, die Rollen werden neu ausgerichtet, weiter geht es in die andere Richtung. Das geht viele Male so. Wenden in zwanzig Zügen quasi, bis der Schacht erreicht ist. „Karussellfahren“ nennen die Facharbeiter diese vielen Richtungswechsel. Das Team ist auch in dieser Nacht bestens aufeinander abgestimmt. Da sitzt jedes Kommando und jeder Handgriff. Wie eng es auch zugeht, alle bewahren die Ruhe. Und sie nehmen sich Zeit.
Es ist kurz vor elf, Lehrke und sein Team haben die halbe Miete eingefahren: Denn die beiden oberen Teile, zwar kürzer, aber trotzdem riesengroß und lang, müssen noch in der Nacht vom Rathausplatz runter, denn dort bauen in wenigen Stunden die Wochenmarkthändler ihre Stände auf. Und weder sie noch ihre Kunden möchten dann Slalom laufen. Die Center-Besucher ebenso wenig, deshalb werden die Teile noch in der Nacht direkt in den abgesperrten Baustellenbereich gebracht.
Zwei Tage sowie stundenlange millimetergenaue Montagearbeiten und Koppelarbeiten später sind die oberen mit den unteren Teilstücken verbunden und die neuen Fahrsteige fest verbaut. Die Steuerungselemente wurden am oberen Ende in den Boden eingelassen und damit im Fall der Fälle für einen Techniker schnell zu erreichen.
Für Heiko Lehrke von TK Elevator sowie das Team der Firma Ludwig ist in Remscheid nach dieser Nacht zu Freitag erst einmal Feierabend. Wie jetzt, das Ding läuft doch noch gar nicht? Stimmt, aber das Montieren der Schutzscheiben, Handläufe und Seitenverkleidungen übernehmen andere Teams, darunter die Firma AR-tec aus Hattingen.
Anfang Mai wird Heiko Lehrke ins Allee-Center zurückkehren. Dann, wenn die Inbetriebnahme ansteht. Gut möglich, dass dabei einige der Paletten (also jene Flächenelemente, auf denen die Besucher am Ende befördert werden) raus genommen werden, um gezielt noch Feinjustierungen vornehmen zu können. „Schließlich muss das Ganze auch noch vom TÜV abgenommen werden um zu prüfen, ob auch alle EU-Sicherheitsrichtlinien eingehalten werden“, erklärt Heiko Lehrke. Diese betreffen übrigens nicht nur die Fahrsteige selber, sondern auch das Drumherum: Ist genügend Abstand zur Wand eingehalten? Kann jeder Besucher sicher ein- und aussteigen? Und, speziell beim jetzt neuen Modell: Klappt der Bewegungssensor, sodass die Steige erst starten, wenn ein Besucher sich nähert? Wenn all das funktioniert, heißt es: Let’s roll! All das über jenem Raum, den auch in Zukunft niemand betreten wird ...